„Jua lafanya, kiwi
cha macho.“ - „Die Sonne verursacht Verblendung.“ (Tansanisches Sprichwort)
Nur
zwanzig Minuten Fußweg von unserem „Zuhause auf Zeit“ werde ich
mit der absoluten Armut konfrontiert. Lehmhütten, Kinder die im
Dreck spielen, Müllberge … ja, das ist die Schattenseite des sonst
so schönen Afrikas. Dieser Anblick ist nicht einfach und es braucht
Zeit, Gespräche und Einfühlungsvermögen ihn zu verdauen. Dennoch
habe ich genau dort das Gefühl „hier kann ich wirklich helfen“,
„hier kann man viel erreichen“.
Es
war das erste Mal für mich, dass ich eine Lehmhütte betreten habe
und es ist wirklich bewundernswert, was die Menschen mit ihren
eigenen Händen und mit eigener Kraft erschaffen. Nirgendwo sonst
leben Menschen und Tiere auf so engem Raum - Hühner brüten ihre
Eier im Wohnraum, „Katz' und Maus“ spielen im Nachbarzimmer
fangen, während die Mutter das Baby stillt...
Das
ist „Bibi“ (deut. Großmutter), sie lebt zusammen mit ihrer
blinden Tochter und deren ebenfalls erblindeten Ehemann in
einer dieser unzähligen Lehmhütten. Stolz präsentierte sie uns ihr
Eigenheim, welches sie sich vor geraumer Zeit erschaffen hat. Wir
durften mit einer Strohmatte auf dem Lehmboden Platz nehmen und sie
erzählte uns ihre ganz eigene Lebensgeschichte...
Ihre
Tochter erfordert ihre volle Aufmerksamkeit und ihre gesamte Energie.
Dies macht es ihr unmöglich, Geld für die Familie zu beschaffen. Das
Geld, welches sie von Verwandten bekommt, reicht gerade mal zum Leben
und es ist ein Ding der Unmöglichkeit für sie, die notwendigen Reparaturen
an ihrem Strohdach zu finanzieren. Es würde Ewigkeiten dauern, bis
sie sich die 30.000 TSH (15 Euro) mühsam zusammen gespart hätte und
die bevorstehende Regenzeit hätte sicherlich noch mehr Schäden
verursacht. Abgesehen davon würde der komplette Innenraum auf Grund
des tagelangen Regens aufweichen und möglicherweise die Wände zum
Einstürzen bringen.
Dank
lieben Spendern war es uns möglich, der Familie ein Lächeln auf die
Lippen zu zaubern, einen großen Stein von ihrem Herzen zu nehmen und
ihr die Reparaturen noch vor der Regenzeit zu ermöglichen.
Das
ist Bora, ein 20-jähriges, lebensfrohes Mädchen. Schon auf den
ersten Blick erkennt man ihre Willensstärke und den Lebensmut in
ihren großen braunen Augen. Sie ist im gleichen Alter wie ich und
doch sind unsere Lebenswege voller Unterschiede. Bis vor 7 Jahren
lebte sie ein völlig normales Teenagerleben und war eine erfolgreiche
und sehr ehrgeizige Schülerin – doch dann wurde sie krank.
Mittlerweile ist ihr Körper absolut kraftlos und besteht nur noch
aus Haut und Knochen. Kaum ein einziger Muskel zeichnet sich unter
ihrer dünnen Haut ab. Ihre Hände sind stark verkrampft und es ist
ihr kaum möglich, ihre Finger zu strecken, was ihre Feinmotorik sehr
stark beeinflusst. Auch die Aussprache, das Gehen und ihre Augen
bereiten ihr große Probleme. Es kostet sie viel Mühe, die
leichtesten Arbeiten zu erledigen und doch ist ihr Wille so stark,
ein normales Leben führen zu können. Sie lebt zusammen mit ihrer
Großmutter, welche sich liebevoll um sie kümmert in einer
Lehmhütte.
Kennt
man ihre Vorgeschichte, so ist ihr Anblick umso ergreifender. Bei
unserem ersten Besuch saß sie bereits vor der Hütte und erwartete
uns sehnsüchtig, während sie selbstständig das Abendessen
vorbereitete. Sie benötigt viel Zeit für die einzelnen Arbeitsschritte,
doch für sie sind bereits die kleinsten Erfolge von großer Bedeutung.
Ihr
größtes Hobby ist das Malen, das wussten wir bereits von der
Schwester, die uns auf dem Weg zu den Einheimischen begleitet. Bora
hatte einen Brief vorbereitet, in dem sie um neue Stifte, Papier und
ein Stückchen Seife bat. Diese Wünsche erscheinen nahezu
lächerlich, wenn man die Wunschlisten deutscher Kinder liest.
Es
grenzt nahezu an ein Wunder, dass sie schreiben und so wunderbar,
detailliert zeichnen kann, wenn man ihr Krankheitsbild kennt. Ihre
Kraft, ihr Lebensmut und ihr Ehrgeiz ist sehr bewundernswert.
Es
war ein unbeschreibliches Gefühl, ihr vergangenen Donnerstag einen
Block und Stifte, zusammen mit einem Radiergummi und einem Spitzer
überreichen zu können. Ihre Großmutter, Nachbarn und Freunde
versammelten sich um die Lehmhütte, um Boras Freude mit ihr teilen
zu können. Dankeschön an die lieben Spender in Deutschland!
Dieser
Anblick war mehr wert, als tausend Worte.
Solche
Momente beweisen mir immer wieder, dass es das Richtige ist, was Melissa und ich
hier tun und für uns persönlich ganz viel hinter dem Wort
„Auslandsjahr“ steckt.