Sonntag, 11. November 2012

Die Schattenseite Afrikas

Jua lafanya, kiwi cha macho.“ - „Die Sonne verursacht Verblendung.“ (Tansanisches Sprichwort)
 
Nur zwanzig Minuten Fußweg von unserem „Zuhause auf Zeit“ werde ich mit der absoluten Armut konfrontiert. Lehmhütten, Kinder die im Dreck spielen, Müllberge … ja, das ist die Schattenseite des sonst so schönen Afrikas. Dieser Anblick ist nicht einfach und es braucht Zeit, Gespräche und Einfühlungsvermögen ihn zu verdauen. Dennoch habe ich genau dort das Gefühl „hier kann ich wirklich helfen“, „hier kann man viel erreichen“.
Es war das erste Mal für mich, dass ich eine Lehmhütte betreten habe und es ist wirklich bewundernswert, was die Menschen mit ihren eigenen Händen und mit eigener Kraft erschaffen. Nirgendwo sonst leben Menschen und Tiere auf so engem Raum - Hühner brüten ihre Eier im Wohnraum,  „Katz' und Maus“ spielen im Nachbarzimmer fangen, während die Mutter das Baby stillt...

Das ist „Bibi“ (deut. Großmutter), sie lebt zusammen mit ihrer blinden Tochter und deren ebenfalls erblindeten Ehemann in einer dieser unzähligen Lehmhütten. Stolz präsentierte sie uns ihr Eigenheim, welches sie sich vor geraumer Zeit erschaffen hat. Wir durften mit einer Strohmatte auf dem Lehmboden Platz nehmen und sie erzählte uns ihre ganz eigene Lebensgeschichte...
 
Ihre Tochter erfordert ihre volle Aufmerksamkeit und ihre gesamte Energie. Dies macht es ihr unmöglich, Geld für die Familie zu beschaffen. Das Geld, welches sie von Verwandten bekommt, reicht gerade mal zum Leben und es ist ein Ding der Unmöglichkeit für sie, die notwendigen Reparaturen an ihrem Strohdach zu finanzieren. Es würde Ewigkeiten dauern, bis sie sich die 30.000 TSH (15 Euro) mühsam zusammen gespart hätte und die bevorstehende Regenzeit hätte sicherlich noch mehr Schäden verursacht. Abgesehen davon würde der komplette Innenraum auf Grund des tagelangen Regens aufweichen und möglicherweise die Wände zum Einstürzen bringen.
 
Dank lieben Spendern war es uns möglich, der Familie ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, einen großen Stein von ihrem Herzen zu nehmen und ihr die Reparaturen noch vor der Regenzeit zu ermöglichen.




Das ist Bora, ein 20-jähriges, lebensfrohes Mädchen. Schon auf den ersten Blick erkennt man ihre Willensstärke und den Lebensmut in ihren großen braunen Augen. Sie ist im gleichen Alter wie ich und doch sind unsere Lebenswege voller Unterschiede. Bis vor 7 Jahren lebte sie ein völlig normales Teenagerleben und war eine erfolgreiche und sehr ehrgeizige Schülerin – doch dann wurde sie krank. Mittlerweile ist ihr Körper absolut kraftlos und besteht nur noch aus Haut und Knochen. Kaum ein einziger Muskel zeichnet sich unter ihrer dünnen Haut ab. Ihre Hände sind stark verkrampft und es ist ihr kaum möglich, ihre Finger zu strecken, was ihre Feinmotorik sehr stark beeinflusst. Auch die Aussprache, das Gehen und ihre Augen bereiten ihr große Probleme. Es kostet sie viel Mühe, die leichtesten Arbeiten zu erledigen und doch ist ihr Wille so stark, ein normales Leben führen zu können. Sie lebt zusammen mit ihrer Großmutter, welche sich liebevoll um sie kümmert in einer Lehmhütte.

Kennt man ihre Vorgeschichte, so ist ihr Anblick umso ergreifender. Bei unserem ersten Besuch saß sie bereits vor der Hütte und erwartete uns sehnsüchtig, während sie selbstständig das Abendessen vorbereitete. Sie benötigt viel Zeit für die einzelnen Arbeitsschritte, doch für sie sind bereits die kleinsten Erfolge von großer Bedeutung.

Ihr größtes Hobby ist das Malen, das wussten wir bereits von der Schwester, die uns auf dem Weg zu den Einheimischen begleitet. Bora hatte einen Brief vorbereitet, in dem sie um neue Stifte, Papier und ein Stückchen Seife bat. Diese Wünsche erscheinen nahezu lächerlich, wenn man die Wunschlisten deutscher Kinder liest.
 
Es grenzt nahezu an ein Wunder, dass sie schreiben und so wunderbar, detailliert zeichnen kann, wenn man ihr Krankheitsbild kennt. Ihre Kraft, ihr Lebensmut und ihr Ehrgeiz ist sehr bewundernswert.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl, ihr vergangenen Donnerstag einen Block und Stifte, zusammen mit einem Radiergummi und einem Spitzer überreichen zu können. Ihre Großmutter, Nachbarn und Freunde versammelten sich um die Lehmhütte, um Boras Freude mit ihr teilen zu können. Dankeschön an die lieben Spender in Deutschland!
Dieser Anblick war mehr wert, als tausend Worte.

Solche Momente beweisen mir immer wieder, dass es das Richtige ist, was Melissa und ich hier tun und für uns persönlich ganz viel hinter dem Wort „Auslandsjahr“ steckt.


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